Lernen - ein Leben lang

Wissen ist Macht

Neulich im Bus. Zwei Männer, offensichtlich Kollegen, unterhalten sich über ihre Arbeit. „Ich habe ich einen Job, in dem ich gut verdiene. Hier kann ich bis zur Rente bleiben.“
Von wegen. Die Zeiten, in denen Mitarbeiter 30 bis 40 Jahre im gleichen Job arbeiteten, sind längst vorbei. Jetzt ist lebenslanges Lernen angesagt.

Kaum ein Berufs-Segment kommt ohne wissbegierige, lernbereite Mitarbeiter aus. Dazu schreiten die Digitalisierung und der gesellschaftlichen Wandel viel zu schnell voran. Wollen Unternehmen und Mitarbeiter wettbewerbsfähig bleiben, müssen sie ihr Wissen ständig erweitern. Doch wie?
 

Alter Hut

Dass Menschen ein Leben lang lernen ist nicht neu. In der Antike setzten sich Denker wie Konfuzius, Hippokrates, Pythagoras und andere damit auseinander. Auch war diese Erkenntnis kein europäisches Phänomen. In Asien war die Idee ebenfalls verbreitet. Lao Tse erklärte: „Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück.“ Der pädagogische Denker Comenius formulierte im 17. Jahrhundert: „Das ganze Leben ist eine Schule.“ Jedoch äußerte sich nicht jeder gegenüber lebenslangem Lernen positiv. Der Bühnenautor George Bernard Shaw meinte etwa, es sei ein Nachteil, "dass man ununterbrochen gezwungen ist, dazuzulernen". Ob das an seiner Faulheit lag, ist leider nicht überliefert.
 

Veränderung in der Gesellschaft

Nicht erst die Digitalisierung sorgt in der Gesellschaft für Wandel. Erfindungen wie elektrischer Storm, Autos und Telekommunikation führten schon früh dazu, dass sich Alltag und Arbeitsleben zunehmend schneller entwickelten. Um mithalten zu können und den Anschluss nicht zu verpassen, ist es wichtig sich stetig weiter zu bilden. Und noch etwas kommt hinzu: Heutzutage hängt die Produktivität des Menschen von neuen Technologien ab. Welches Gerät könnte das besser verdeutlichen als das Handy? Innerhalb weniger Jahre hat es das Kommunikationsverhalten von Menschen grundlegend verändert.
 

Wissen ist Macht

Ständiges Lernen bewahrt also den Menschen davor, beruflich und gesellschaftlich im Schatten zu stehen. Trotzdem hat es bis in die 70-er gedauert, bis ein konkretes Lebenslanges-Lernen-Konzept entstanden ist. Im Buch des Club of Rome wurde zum ersten Mal unter dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ darüber gesprochen. Das war 1972. Warum so spät, wenn doch die Denker der Antike offensichtlich schon schlauer waren?

Um eine Erklärung zu finden, lohnt der Blick ins Geschichtsbuch. In den 60ern nahm der globale Wettbewerb deutlich zu. Da war es für kapitalistische Staaten wie Deutschland und USA ein regelrechter Bildungsschock, als es dem kommunistischen Osten gelang, bemannt in den Weltraum zu fliegen.

Lässt das Rückschlüsse auf die Gegenwart zu? Vielleicht. Elektromobilität oder der stockende Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes wären wohl Beispiele dafür. Deutschland wird vorgeworfen, Entwicklungen verschlafen zu haben. Der Bildungsschock von damals saß tief, hatte aber positive Folgen. Auf einmal entwickelte sich viel mehr Wissen – zwanzig Mal mehr als einige Hundert Jahre zuvor. Womöglich lag es am Wettbewerbsdruck.
Fakt ist, an der Vorstellung ein Leben lang für den gleichen Arbeitgeber zu schuften, hat sich in dieser Zeit noch nichts geändert.
 

Geschwindigkeit beeinflusst Arbeitsleben

Ist von Digitalisierung die Rede, bleibt manchem schon mal die Luft weg. Gerne wird sie mit dem Verlust von Arbeitsplätzen gleichgesetzt. Viele werden dadurch aber auch erst entstehen. Das heißt: Nicht nur Kinder und Jugendliche müssen schneller lernen, vor allem auch Erwachsene. Lebenslanges Lernen heißt das Zauberwort. Und ein weiteres geht einher mit: Flexibilität. Arbeitnehmer müssen sich an die Vorstellung gewöhnen, in ihrem Leben in verschiedenen Jobs zu arbeiten. Einer für ein Leben lang gilt nicht mehr.
 

Lernen in der EU

Bildung steht nicht nur bei der Unesco und EU hoch im Kurs. Auch Länder wie Deutschland kümmern sich verstärkt um dieses Thema. Die Ziele sind klar: Es sollen Anreize geschaffen werden, um Menschen für Weiterbildungen zu motivieren. Auf europäischer Ebene gibt es Förderprogramme wie Comenius und Erasmus für schulische und studentische Bildung sowie Erasmus+  für Berufs- und Erwachsenenbildung. Erweitert werden diese durch weitere Lifelong Learning Programme.
 

Weiterbildung in Unternehmen

Etwa drei Viertel der Unternehmen nutzten 2015 Weiterbildungsmaßnahmen, um ihre Beschäftigten weiter zu qualifizieren. Destatis hat dazu 12.000 Unternehmen aus fast allen Wirtschaftsbereichen befragt. Allerdings sind Weiterbildungsprogramme stark von der Unternehmensgröße abhängig. Nur etwa 53 Prozent der Unternehmen mit 10 bis 19 Beschäftigten boten entsprechende Angebote an. Bei Unternehmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitern sieht dies anders aus. 96 Prozent hielten weiterführende Qualifizierungsmaßnahmen für ihre Mitarbeiter bereit. Das klingt erst mal gut.
 

Lebenslanges Lernen ausbaufähig

Trotzdem sieht es mit den Weiterbildungsangeboten in Unternehmen nicht so rosig aus. Der Bitkom fand heraus, dass für Weiterbildung nur 2,3 Arbeitstage und durchschnittlich 709 Euro pro Mitarbeiter und Jahr genutzt werden. Ernüchternd: Jedes fünfte Unternehmen bietet gar keine Weiterbildungsmaßnahmen an. Vielleicht ist es deswegen nicht weiter erstaunlich, dass Bundesbildungsministerin Anja Karliczek im Magazin „der freie beruf“ fordert: „Wir benötigen in Deutschland eine Weiterbildungskultur, die Lust darauf macht, ein Leben lang zu lernen.“ Die Frage nach der Finanzierung erörtert sie dabei jedoch nicht. Nur so viel:
 

Eigeninitiative ist gefragt

Wenn Arbeitnehmer ihre Weiterbildung nicht aus eigener Tasche bezahlen wollen, tun sie also gut daran, mit ihrem Chef zu sprechen. In der Regel fördern Unternehmen ihre Mitarbeiter. Denn was kann ihnen besseres passieren, als einen lernbereiten Mitarbeiter zu beschäftigen, der mit dem Puls der Zeit geht?